Die anhaltend angespannte Situation in Bezug auf die Lehrkraftversorgung in den Schulen aller Länder ist allenthalben bekannt. Weniger wahrgenommen wird, dass eine Lösung der Frage möglich ist. Dazu sind angestammte Wege zu verlassen und mutig andere Pfade zu beschreiten. Dies muss jedoch vor der weiteren Zuspitzung der Lage an den Schulen und drohenden Folgeschäden bei den Bildungserfolgen unserer Kinder geschehen.
Worin begründet sich dies? Es braucht zur Erkenntnis lediglich etwas empirische Evidenz. Der Zugang zu einem lehramtsqualifizierenden Studium sieht in der Regel das Abitur vor. Es gibt Bundesländer [1], in denen müssten über 20% der Abiturienten ein Lehramtsstudium beginnen um die Zahl der Studienplätze zu füllen, realistisch sind jedoch eher zwischen 10-15%. Defizitär sind dabei eher diejenigen Studiengänge, welche sich an Qualifikationen für eher zur praktischen Lehre orientierte Schultypen wie Haupt-, Mittel- oder Sekundarschulen richtet. Solche Studiengänge können mit einem Abiturdurchschnitt von 4,0 studiert werden, eine Abschlussnote bei einem Fachabitur von 1,0 reicht dagegen nicht. Die Kultusministerkonferenz hat allerdings festgelegt, dass Studiengänge an Universitäten und Fachhochschulen grundsätzlich als gleichwertig, jedoch unterschiedlich orientiert (wissenschaftlich/praktisch) zu betrachten sind.
Dies vor Augen gehalten, wird deutlich, welches ungeheure Potential an grundsätzlich geeigneten Lehrkräften dem System durch die unbegründete Zugangsbeschränkung infolge der Fokussierung auf die Universitäten verloren geht. Am Ende geht es dabei darum, gut ausgebildete Talente zu gewinnen, die in der Lage sind guten Unterricht zu leisten und ihre Schule voran zu bringen.
Um dies in die Realität bringen zu können, ist ein entsprechendes Lehrkonzept in der Hochschulausbildung erforderlich. Das Dessau-Roßlauer Modell [2] zum Lehramtsstudium enthält Auswahlmechanismen und regionale Talentsuche in einem dualen Studiengang mit vertiefter Praxis. Die Studierenden sind an einer Schule per Arbeitsvertrag gebunden und werden auch für diese Schule ausgebildet. Es werden bereits im Studium viele Fragen aufgearbeitet, die den Schulalltag betreffen, und so ein belastbares Grundgerüst gegeben. Der pädagogischen Qualifikation wird Vorrang vor der wissenschaftlichen Fachqualifikation gegeben. Nach einem polyvalenten Bachelorstudium Pädagogik folgt ein berufsbegleitendes Studium zum Staatsexamen, in dem erste Beiträge zur Unterrichtsversorgung geleistet werden. Anschließend folgt noch das Referendariat.
Dieses Konzept dient der wissenschaftlichen Ausbildung von Lehrkräften mit dem Augenmerk auf einer schnell wirksamen Versorgung mit geeigneten Lehrkräften. Die Fachhochschulen mit ihren Werkstätten, Laboren und ihrer an der beruflichen Praxis konzeptionierten Lehre sind dabei insbesondere für angehende Lehrkräfte an Schulen mit praktisch orientiertem Unterricht fast schon natürliche Partner.
Mit diesem Konzept wird die universitäre Ausbildung ergänzt. Wir brauchen ohne jeden Zweifel weiterhin die in den Unterrichtsfächern hoch qualifizierten Lehrerinnen und Lehrer. Diese sollten jedoch um Kolleg:innen ergänzt werden, deren Profession stark in der praktischen Pädagogik liegt. Gemeinsam bilden sie diverse Teams, die bestens für ihre Schule wirken werden.
Eines ist auf jeden Fall auch klar: mit den bisherigen Wegen wird eine ausreichende Versorgung der Schulen mit Lehrkräften nicht möglich sein. An einigen Stellen werden nun lieber Bachelorabsolventen jeder Couleur bzw. Handwerksmeister als Lehrkräfte an Schulen eingestellt, dagegen die Potentiale der Fachhochschulen verschenkt.
[1] Vgl. die Zahlen der statistischen Landesämter
[2] abrufbar unter https://dr-anja-schneider.de/downloads/
Prof. Dr. Lothar Koppers studierte bis 1993 Vermessungswesen an der Universität der Bundeswehr München und promovierte dort im Bereich 3D Stadtmodelle. Seit 2009 ist er Direktor des Instituts für angewandte Geoinformatik und Raumanalysen an der Hochschule Anhalt in Dessau, wo er zugleich als Vizepräsident Digitalisierung und Internationales tätig ist.