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Lehramtsstudierende der Universität Leipzig haben die Möglichkeit, im Rahmen des Diesterweg-Stipendiums eine mehrmonatige Lernpatenschaft für Schülerinnen und Schüler sowie ihre Familien zu übernehmen. In den Lernpatenschaften geht es vor allem darum, die einzelnen Kinder individuell zu fördern und sie beim Übergang in die weiterführenden Schulen erfolgreich zu unterstützen. Annemarie Schourek und Nico Herrmann, zwei Lernpat:innen aus dem Projekt, berichten uns von ihren Erfahrungen und Erkenntnissen während der Begleitung ihrer Stipendiat:innen.

Das Projekt hat mir gezeigt, wie eng der schulische Erfolg eines Kindes mit außerschulischen Begebenheiten verknüpft ist. Deshalb sollte man als Lehrperson immer hinterfragen, weswegen schulische Misserfolge zustande kommen. Liegt es schlichtweg daran, dass das Kind unvorbereitet war bzw. nicht gelernt hat oder sind es sozial-familiäre Umstände, welche für die Ergebnisse verantwortlich sind? Die Wahrnehmung dessen ist für Lehrpersonen jeglicher Schulformen extrem schwer, da man in den meisten Fällen lediglich die schulischen Aspekte betrachtet und in den seltensten Fällen „über den Tellerrand“ hinausschaut.

Für meine spätere Tätigkeit als Lehrperson möchte ich versuchen, diese genannten Aspekte zu berücksichtigen und für mich zu hinterfragen um „Auffälligkeiten“ entgegen zu wirken, beispielsweise durch spezifische Handlungsansätze, Hilfestellungen oder schlichtweg dem Kind zu verdeutlichen, dass es wahrgenommen bzw. ernstgenommen wird. Darüber hinaus empfinde ich es sehr wichtig, insbesondere die jüngeren Klassenstufen (5. Klasse) nicht direkt zu überfordern, sondern an die neuen Begebenheiten (neue Schule, neue Lehrpersonen, neue Mitschülerinnen und Mitschüler) heranzuführen sowie den aktuellen Leistungstand der Schüler:innen wahrzunehmen. Sowohl aus Erzählungen der Lernpatenschaft als auch durch individuelle Wahrnehmungen an verschiedenen Praktikumsschulen konnte ich sehen, dass diese Sichtweise nicht selbstverständlich ist.

Begabungsförderung sowie Bildungsbenachteiligung sind ein wichtiger Bestandteil der schulischen Gegenwart bzw. Realität, welche von den Lehrpersonen und angehenden Lehrer:innen stärker berücksichtigt werden sollten. Ein Fundament hierfür, um diesen Aspekt wahrnehmen zu können, bildet die diagnostizierende Kompetenz der Lehrpersonen. Erst mittels dieser können Auffälligkeiten/Unterschiede wahrgenommen und unterstützende Handlungsmöglichkeiten vermittelt werden. Insbesondere in Hinblick auf die Bildungsbenachteiligung hat mir das Projekt verdeutlicht, wie besonders sozial-familiäre Begebenheiten sich auf den (schulischen) Erfolg des Kindes auswirken. Hierbei ist es wichtig, dass die betroffenen Schüler:innen den Rückhalt durch die Familie, aber auch durch die betreuenden Lehrkräfte erfahren sowie durch diverse soziale Förderungen unterstützt werden. Und das betrifft sowohl schulinterne als auch schulexterne Förderangebote.

Alles in allem empfand ich das Projekt als eine Bereicherung für meine künftige Lehrertätigkeit und ich bin sehr dankbar darüber, ein Teil dessen gewesen sein zu dürfen.

Nico Herrmann

 

Ich habe mich für eine Lernpatenschaft des Diesterweg-Stipendiums beworben, um neben dem hohen theoretischen Teil des Lehramtsstudiums auch einige Praxiserfahrung sammeln zu können. In den Monaten der Lernpatenschaft habe ich dann vor allem eine Sache immer wieder sehen können: die Familien kämpfen! Obwohl die Eltern teilweise arbeiten, noch weitere Kinder betreuen und sich gleichzeitig um den Haushalt kümmern müssen, versuchen sie trotzdem für die Kinder da zu sein. Auf der anderen Seite müssen auch die Kinder für ihr Alter unglaublich viel leisten. Manche müssen auf Geschwister aufpassen, im Haushalt helfen und gleichzeitig alle Aufgaben für die Schule erledigen. Meiner Erfahrung nach sind die Kinder teilweise schon so viel erwachsener sind als sie es sein sollten.

Eine ganz wichtige Erkenntnis war für mich als angehende Lehrerin, dass es wichtig ist, den familiären und außerschulischen Hintergrund der Kinder zu kennen. Wenn Noten und Leistungen nicht den Erwartungen entsprechen, kann es dafür viele unterschiedliche Hintergründe geben, die man als Lehrperson kennen sollte. Manche Kinder leisten zu Hause so viel, dass die Schule teilweise auf der Strecke bleibt. Ich habe auch gelernt, dass es wichtig ist, jedes Kind als Individuum zu betrachten und individuell zu unterstützen. Wir sind als Lehrerinnen und Lehrer nicht nur Vermittler von Wissen, sondern gleichzeitig auch Vertrauenspersonen für die Kinder. Diese Rolle ist mir durch die Lernpatenschaft noch einmal deutlich bewusst geworden.

Die Erfahrungen als Lernpatin haben mich nicht nur näher an meinen späteren Beruf herangeführt, sondern mir auch gezeigt, dass es Familien gibt, die Unterstützung brauchen, um den Kindern gerechte Bildungschancen ermöglichen zu können. Das Diesterweg-Stipendium ermöglicht genau diese gerechten Bildungschancen und setzt sich aktiv für das Wohl derer ein, für die sich sonst kaum jemand einsetzt. Ich bin unglaublich dankbar für die Erfahrungen und weiß genau, dass noch weiteren Familien mit dem Projekt geholfen werden kann. Ich wünsche mir also nicht nur, dass weitere Familien und vor allem Kinder von dem Projekt profitieren können, sondern auch Studierende wie ich! Ein großer Dank gilt an dieser Stelle auch Frau Jilek und allen anderen, die an dem Projekt mitwirken und all dies ermöglichen.

Annemarie Schourek

 

Zum Projekt

Das Diesterweg-Stipendium Leipzig fördert besonders wache und motivierte Schüler:innen der 4. und 5. Klasse, denen der Schritt in die höhere Schulbildung, aufgrund herausfordernder Lebensbedingungen, erschwert wird. Die Lernpatenschaft ist – wie das Projekt selbst - auf eine ganzheitliche Begleitung und Stärkung der Kinder angelegt. Ziel des Programms ist die Erhöhung der Selbstwirksamkeit der Kinder und ihrer Familien durch die Wahrnehmung, Anerkennung und Einbeziehung ihrer Lebensbedingungen.


Möchten auch Sie Teil dieses Projektes für Kinder und ihre Familien sein? Aktuell werden für das Diesterweg-Stipendium Lernpat:innen gesucht, die die Stipendiat:innen und ihre Familien regelmäßig und individuell fördern.